Nußdorfer Dorfleben 1860-1960

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So sah Sigmund Walter Hampel Nußdorf und nannte das Bild: Jugendzeit, O Jugendzeit, wie rasch bis du entschwunden 1937

Dieser Artikel versucht den Alltag und das gesellschaftliche Leben in Nußdorf von 1860 bis 1960 anhand von Fotografien und Erinnerungen aus dieser Zeit zu schildern.

Einleitung

Ansicht von Nußdorf um 1910
Nußdorf 1952 - Zeichnung von Benno Stoessler

Nussdorf am Attersee war bis ins 20. Jahrhundert vom bäuerlichen Alltag geprägt. Die Beschaffung der fundamentalen Lebensgrundlagen nahm den größten Teil der Zeit und der Arbeitskraft in Anspruch. Die zum bescheidenen Leben nötigen Dinge wurden weitgehend im Ort selbst hergestellt. Die gegenseitige Abhängigkeit bewirkte einen gesellschaftlichen Zusammenhalt, der in Nachbarschaftshilfe, sowie in Brauchtum und Festen seinen Ausdruck fand.

Mit dem Beginn des Fremdenverkehrs im 19. Jahrhundert kam die Bevölkerung schon früh mit bis dahin Unbekanntem in Berührung und reagierte sehr aufgeschlossen. Im Tagebuch des Michl Wiesinger 1830 - 1895 steht vermerkt: „Welt Ausstellung in Wien war ich und der Gruber, Resch, Domibauer, Winterleittner in der Fronleichnams Wochen 1873“. Überregionaler Handel mit Produkten aus dem Dorf gehörte zur Normalität. Die Ursprünge einer heute noch bestehenden Gerberei am Nußdorfer Bach gehen vermutlich bis ins 13. Jahrhundert zurück. Gesägtes Holz wurde bis Wien und Budapest geflößt. Johann Nußdorfer, der 1872 die Niedermayrsäge gründete, versuchte sich auch als Züchter von Seidenraupen. Dazu legte er einen Garten mit Maulbeerbäumen an. Dieser Versuch scheiterte aber an den klimatischen Bedingungen.

Bereits vor 1900 mieteten sich während der Sommermonate erholungssuchende „Sommerfrischler“ in die Bauernhäuser ein. Überwiegend gutsituierte Wiener Familien kamen mitsamt ihrem Bedienungspersonal nach Nussdorf. Darunter namhafte Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Wirtschaft.

Die Sommerfrischlerfamilien waren fester Teil der Dorfgemeinschaft. Gemeinsam wurden Sommerfeste veranstaltet und von einer Plätte vor dem Nußdorfer Landungsplatz imposante Feuerwerke in den nächtlichen Atterseehimmel gezeichnet, die über dem ganzen See zu sehen waren.

In den Jahren nach 1945 erlangte der Fremdenverkehr eine über den ursprünglichen Sinn hinausgehende Bedeutung. Durch Kriegsschäden obdachlos gewordene Familien übersiedelten in ihre Ferienwohnungen. Für die Einheimischen wurden aus Sommerfrischlern Mitbürger. Dazu kamen Heimatvertriebene aus Ost- und Südeuropa, teils mitsamt ihren Pferdegespannen nach Nußdorf. Die Heuböden der Bauernhöfe und die Kammern der Knechte und Mägde dienten als Unterkünfte. In das Barackenlager für Kriegsgefangene unterhalb des Wieserbauernhofes zogen Flüchtlingsfamilien ein. Der Artikel Nußdorf - Notquartier und Aufbruch versucht, dieses ungewöhnliche Stück Zeitgeschichte nachzuvollziehen.

Walter Großpointner, der mit seiner Frau Elisabeth das Gasthaus „Dorfstube“ in Nußdorf am Attersee betrieb, sammelte über Jahrzehnte alte Ansichten, Fotografien und Texte aus Nussdorf und Umgebung. Sie erlauben einen Einblick in das dörfliche Leben in der Zeit von etwa 1860 bis 1960. Die Fotografien sind nach Themen und nach dem Alter geordnet und erläutert. So werden bei einigen Aufnahmen auch die Veränderungen im Lauf der Zeit deutlich.

Die Ansichten der Nußdorfer Häuser ab 1890 und ihre Veränderungen sind in einem eigenen Artikel behandelt.

Rang & Namen

Der Attersee hat schon sehr früh eine Anziehungskraft auf Prominente ausgeübt. Fand sich die Aristokratie vornehmlich rund um die kaiserliche Sommerresidenz Bad Ischl zusammen, so errichtete sich der Geldadel seine Sommervillen häufig am Attersee. Mit ihnen trat auch die Kunst- und Kulturszene in Erscheinung.

Auf landwirtschaftlich minderwertig angesehenen Seeufergrundstücken wurden die ersten Ferienhäuser und Villen errichtet. Der kaiserliche Diplomat Eugen Freiherr von Ransonnet-Villez (* 1838 Wien, † 1926 Nußdorf am Attersee) war ein Pionier des örtlichen Fremdenverkehrs. Er war der Gründer des Union-Yacht-Club Attersee,[1] des ältesten Segelclubs Österreichs, und Initiator zahlreicher Tourismuseinrichtungen. Der Ransonnet-Themenweg in Nußdorf vermittelt einen Eindruck von seinem Leben und seinem vielseitigen Wirken.

Der Armenarzt Viktor Adler, der am Parteitag vom 30. Dezember 1888 bis zum 1. Jänner 1889 im niederösterreichischen Hainfeld die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) gründete, verbrachte viele Sommerferien in Parschallen. Seine Frau Emma Adler (1858-1935) saß dem Maler Emanuel Oberhauser für ein Marienbild in der Pfarrkirche Nußdorf Modell. Dieses Bild wurde 1989 anlässlich des 100-jährigen Bestehens der SPÖ in Wien ausgestellt.

Ab den 1960er Jahren erlebte der Tourismus einen enormen Aufschwung und mit ihm kamen auch prominente Persönlichkeiten nach Nußdorf. Unter anderen erwarben der UNO-Generalsekretär, Aussenminister und Bundespräsident Dr. Kurt Waldheim und der erfolgreiche Zeitungsverleger Hans Dichand in Paschallen ihre Sommersitze direkt am See. Der "Kanzler der deutschen Einheit" Helmut Kohl und weitere Politiker aus aller Welt waren regelmäßige Besucher bei der Familie Waldheim.

Von den Künstlern, die in Nußdorf gewohnt haben, sei stellvertretend erinnert an die Schauspielerin Lotte Medelsky, die Maler Sigmund Walter Hampel, Ferdinand Matthias Zerlacher und Hubert Lechner sowie die Schriftsteller Dora Stockert-Meynert, Fritz Stüber-Gunther und Heinz Konsalik. Konsalik (* 28. Mai 1921 in Köln, † 2. Oktober 1999 in Salzburg) erwarb in Aichereben hoch über dem Attersee ein Haus. Er war mit 155 Romanen und einer Weltauflage von über 83 Millionen einer der kommerziell erfolgreichsten deutschen Schriftsteller.

In den 1960er und 1970er Jahren verbrachte der Eiskunstläufer Karl Schäfer die Sommerferien in seinem Haus in Parschallen. Er gewann von 1929 bis 1936 sieben Weltmeistertitel und acht Europameistertitel in Folge. Olympiasieger wurde Schäfer 1932 in Lake Placid und 1936 in Garmisch-Partenkirchen.

Die Dorfgemeinschaft

Die Nußdorfer „Herrenbauern“ schafften in der Früh die Arbeit an und gingen dann zum Bürgertag ins Wirtshaus, zum Bräu oder zum Fleischhacker. So ist es überliefert und mag es wohl im 19. Jahrhundert gewesen sein. Insbesondere nach 1945 hat sich die Lage stark und schnell verändert. Die wenigen Dienstboten, die vom Krieg heimkamen orientierten sich neu und suchten ein besseres Leben als Arbeiter in den Industriebetrieben der Umgebung. Durch die Hochkonjunktur wurde die Arbeitskraft für Tätigkeiten in der Landwirtschaft nicht mehr leistbar. Der einzige Ausweg war die Anschaffung technischer Hilfsmittel und ein extrem hoher Arbeitseinsatz der Bauernfamilie. Die maschinelle Ausstattung war noch nicht und die Dienstboten nicht mehr da.

Mit dem aufblühenden Fremdenverkehr entstanden auf einigen Wiesen und Feldern am Seeufer große Campingplätze. Pensionen, Fremdenzimmer und Ferienwohnungen wurden gebaut, Hotels und Gasthöfe erweitert. Seit der Jahrtausendwende gibt es kaum mehr bewirtschaftete Bauernhöfe im Dorfgebiet von Nußdorf. Viele Grundstücke sind verpachtet oder wurden als Bauland für Ferienhäuser verkauft.

Ein 18-Loch Golfplatz [2] ist zwischen Nußdorf und Attersee entstanden und ermöglicht den Tourismusbetrieben eine Ausweitung der Saison und des Angebotes. Die Besitzer der stattlichen Höfe verdienen sich ihren Lebensunterhalt anderwärtig. Trotzdem ist ein gewisser gesellschaftlicher Zusammenhalt geblieben, wie die aktiven Vereine und die gemeinsamen Feste und Veranstaltungen zeigen.

Bäuerliches Arbeitsleben

Im und ums Haus

An jedem der Nußdorfer Bauernhöfe waren mehrere Dienstboten, Mägde und Knechte beschäftigt. Alljährlich zu Lichtmess, den 2. Februar, mussten sie vom Bauern „angehalten“, also zum Weiterverbleib im nächsten Jahr aufgefordert werden. Wurde ein Dienstbote an diesem Tag nicht angehalten, hatte er ohne weitere Aufforderung den Hof zu verlassen. Der Hausknecht oder „Hausl“ bei den Knechten und das "Hausmensch" bei den Mägden teilten die Arbeit ein. Sie waren die Vorarbeiter bzw. Vorarbeiterinnen. Im Haus war viel zu tun. Die Stall- und die Hausarbeiten mussten verrichtet und das Vieh versorgt werden. Gerätschaften und Werkzeug wurden großteils am Hof instand gehalten. Es wurde geschlachtet, das Fleisch aufgearbeitet, geselcht und konserviert, es gab weder Gefriertruhe noch Kühlschrank. Auf die Schlachtzeit freuten sich alle im Haus. Innereien, Blunzn (Blutwurst) und andere wenig haltbare Fleischteile wurden zu köstlichen Mahlzeiten verkocht.

Aus überschüssigem Schweinsfett wurde mit Soda und Aschenlauge in flachen Pfannen Seife gesotten und dann in handliche Stücke geschnitten. Wäsche wurde in großen Wasserhäfen gekocht, eingeseift, auf der Waschrumpel oder einem Holztisch mit einer Reisbürste geschruppt und dann am Brunnentrog mit kaltem Wasser durchgespült. Im Artikel Waschtag wird diese Arbeit näher beschrieben. Die Holzböden wurden meist am Samstagvormittag kniend mit Aschenlauge gebürstet und aufgewischt.

Die Milch wurde mit der "Milchmaschine" in Magermilch und Rahm geschleudert, zu Butter verarbeitet und die Magermilch an die Kälber verfüttert. Jeder Bauernhof hatte einige Milchkundschaften aus der Nachbarschaft, die täglich abends mit der „Milchpitschn“ die Milch holten. Überzählige Hühnereier wurden in eine Kalkbrühe eingelegt um die Zeiten zu überbrücken, in denen die Hühner keine Eier in ihre Nester legten.

Etwa alle zwei Wochen wurde Brot gebacken. Frisches Brot kam selten auf den Tisch um den Appetit in Grenzen zu halten. Die "Aschenzelten", kleine Schwarzbrotfladen, die im auskühlenden Backofen halb durchgebacken und mit Butter und Salz gegessen wurden, waren ein Geschmackserlebnis. Obst und andere Früchte wurden in Gläsern konserviert (eingerext), zu Most gepresst, zu Schnaps gebrannt. Birnen und Zwetschken wurden im "Dörrhäusl" zu "Kletzen" und "Dierde Zwetschken" gedörrt. Kraut wurde gehobelt und zu Sauerkraut eingemacht. Aus den Bauerngärten kamen nicht nur die verschiedensten Gemüse und Gewürze, sondern nicht selten auch Heilkräuter und Blumen.

Der Arbeitstag begann um fünf Uhr früh, im Sommer manchmal schon früher, und endete mit der Stallarbeit um etwa sieben Uhr abends. Auf die Einhaltung der Mahlzeiten wurde großer Wert gelegt. Hat die Bäurin vergessen die Jause zur Waldarbeit mitzugeben, so wurde erzählt, sind die Dienstboten zwar ohne Jause fort gegangen, haben aber auf dem Weg gleich wieder umgedreht um zur Jausenzeit wieder daheim zu sein. Die ohnehin bescheidenen Gewohnheitsrechte sollten verständlicherweise nicht auch noch geschmälert werden.

Um sieben Uhr früh gab es die sogenannte „Saure Suppen“ – eine Milchsuppe mit Brotschnitzeln, etwas Rahm und Kümmel. Um neun Uhr die sogenannte „Neinern“, mit geselchtem Fleisch, Brot, Butter, Bratlfett und Ähnlichem. Zum Mittagessen um elf Uhr wurde ausgiebiger gekocht. Abhängig von der Jahreszeit verschiedene Fleischspeisen, manchmal auch Mehlspeisen. Vielfalt und Qualität war von Haus zu Haus unterschiedlich, wobei sich die Kunst der Köchin schnell herumsprach. Um drei Uhr war die „Jausen“ angesagt, die mit der „Neinern“ vergleichbar war und abends zwischen fünf und sieben Uhr wurde wieder „gesüppelt“ wie in der Früh. Zum Trinken gab es meistens Most oder Milch, später auch Kakao und Feigenkaffee, meistens zu Rohrnudeln (Wuchteln) dazu.

Jeder hatte seinen festen Platz am Tisch und sein eigenes Besteck. Messer, Gabel und Löffel wurden nicht gewaschen, sondern nur abgewischt und in eine Lederschlinge unter dem Tisch gesteckt. Vom mittäglichen Tischgebet blieb infolge der zahllosen Wiederholungen nur mehr ein unverständliches Gemurmel. Erst nach dem abschließenden „Vatersohnesheilingeistesamen“, während der Daumen zum Zeichen der Bekreuzigung eine Schlangenlinie von der Stirn über Nase und Kinn bis zur Brust beschrieb, durfte mit dem Essen begonnen werden.

Neben der Land- und Forstwirtschaft musste die Bauernfamilie noch die Molkerei, Metzgerei, Bäckerei, Obstbau, Gartenbau, Schnapsbrennerei, Mostherstellung, das Obstdörren und alle möglichen Formen der Haltbarmachung von Lebensmitteln sowie die Groß- und Kleintierhaltung beherrschen und oft sogar den teuren Tierarzt ersetzen. Krankheiten wurden vorwiegend mit Hausmitteln behandelt. Dazu musste der Bauer auch noch ein guter Kaufmann und Menschenkenner sein, sich in Grundbuchs- und Rechtsfragen auskennen und seine Grundstücksgrenzen genau im Auge behalten. Die Herstellung und Instandhaltung vieler technischer Hilfsmittel erforderte Geschick und Einfallsreichtum. Um einen Bauernhof erfolgreich zu bewirtschaften, war ein enorm umfangreiches Fachwissen, ein vielschichtiges Verständnis und permanente Übung erforderlich. Diese Fähigkeiten wurden ohne viel Schulbildung von Generation zu Generation weitergegeben und von Kind auf praktiziert. Ein Bauernhof bildete einen komplexen, biologisch verträglichen Kreislauf, der sich über Jahrhunderte hinweg erhalten konnte ohne der Umwelt zu schaden.

Regelmäßig kamen Handwerker auf die Ster (Stör). Der Sattler reparierte das Rosszeug, der Fassbinder richtete die Fässer für den frischen Most, der Glaserer zerbrochene Fensterscheiben. Hin und wieder zogen Scherenschleifer, Häfenflicker und reisende Kaufleute durch. Legendär war der Kurz Adi, der in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg seinen kleinen Leiterwagen hinter sich her zog und allerhand Krimskrams, vom Nähzeug, über Süßigkeiten bis zum Zündholz verkaufte. Er konnte fürchterlich fluchen, wenn sich Kinder mit ihm Späße erlaubten.


Der Most

Bild vom Mostmachen im Aignerhaus in St. Georgen
Mostpresse von 1864 mit Obstmühle vor dem Kiblerhaus in Stockwinkl
Alte Mostpressen sind bis heute Schmuckstücke die in Ehren gehalten werden
Die geschnitzte Inschrift zeigt die hohe Wertschätzung für den Most

Für die Erwachsenen auf jedem Bauernhof war der Most das allgegenwärtige Mittel gegen den Durst. Ein guter Most war der Stolz des Bauern. Bier gab es nur im Gasthaus und war vor allem den Sonn- und Feiertagen vorbehalten. Die Redewendung, ich zeig dir, wo der Barthel den Most holt, unterstreicht den Stellenwert im Alltag.

Im Tagebuch des Michl Wiesinger 1830 - 1895 ist im Jahr 1848 vermerkt: Das Jahr 848 ist ein sehr gedeiliches Jahr Feldfrüchten und Obst besonders, wo wier bei 70 Eimer Mostmachen, wo zur selbigen zeit nie mehr als 10 Eimer gedengt. 70 Eimer waren etwa 4000 Liter Most, 10 Eimer immerhin noch fast 600 Liter. Das erlaubt einen Rückschluss auf den üblichen Jahresverbrauch. (Österreichisches Eimer-Volumenmaß (vor 1871): 1 Eimer = 40 Mass = 160 Seidel = 56,589 Liter).

Schon den Spätsommer über gingen die Fassbinder von Haus zu Haus und richteten die leeren Mostfässer wieder für die nächste Verwendung her. Zur Reinigung wurden die Fässer geschwefelt oder ausgebrannt. Dazu wurde auch der Fassboden geöffnet. Schadhafte Stellen wurden ausgebessert und mit Lärchen- oder Kiefernpech neu abgedichtet. Das Spundloch, in das beim Anzapfen die Mostpippe eingeschlagen wurde, musst von innen heraus mit einem Stoppel wieder verschlossen werden. Von Weitem konnte man das Hämmern hören, wie die eisernen Fassreifen aufgezogen wurden. Zwei Fassbinder gingen dabei im Gleichschritt und im gleichmäßigen Abstand rundum das Fass und schlugen im selben Takt mit einem Hammer auf den sogenannten Setzhammer, der auf den Fassreifen aufgesetzt und immer ein Stück weitergeschoben wurde. Holzfässer haben eine lange Tradition und werden schon den Kelten zugeschrieben.

Um die beachtlichen Mengen an Obst zu bekommen hat jeder Bauernhof Obstgärten, Streuobstwiesen und ganze Alleen entlang von Wegen mit eigenen Mostbirnensorten angelegt. Darüber hinaus gab es auch einige Speiseobstsorten und nicht zu wenige Zwetschkenbäume zum Schnapsbrennen. Die besseren Birnen und Zwetschen wurden zu Kletzen und Diarde Zwetschken gedörrt. Daraus wurde für den Nikolaustag auch manchmal ein sogenannter Zwetschkenkrampus gebastelt. Das kleine gemauerte Dörrhäusl stand wegen der Brandgefahr wohlweislich mit etwas Abstand zum Bauernhaus.

Sobald im Herbst die Äpfel und Birnen reif wurden stand das Mostmachen im Mittelpunkt des Geschehens am Hof. Schließlich musste der Vorrat das ganz Jahr über für alle durstigen Kehlen im Haus und auch für die Gäste und Besucher reichen. Alle Dienstboten waren beteiligt. Mit langen Hakenstangen wurde das Obst von den Bäumen geschüttelt und zusammen geklaubt, zumeist Äpfel und Birnen durcheinander. Faules Obst blieb liegen. Das gute Obst wurde auf dem Hof sauber gewaschen und in der Obstmühle zerkleinert oder früher in einem Nursch zerstampft.

Die Geräte, das Pressen, die Abfüllung in Fässer und die Kellerlagerung gleicht bei der Mostherstellung dem Keltern des Weines. In einer in der Attergauregion gebräuchlichen, meist zwei- bis vierspindeligen Schraubenpresse wurden die runden oder eckigen Presskörbe mit Maische befüllt und mit einem starken Holzdeckel abgedeckt. Mehrere kräftige Leute drehten die Schraubspindeln mit Verlängerungsstangen nach unten und pressten so fest es ging den Saft aus der Maische. Der Rest wurde verfüttert oder landete auf dem Misthaufen. In den Meisten Höfen rann der süße Obstsaft direkt vom sogenannten Presshaus über Holzröhren in die Fässer im darunter liegenden Mostkeller. Zum Teil wurde auch Süßmost erhitzt und zum alkoholfreien Genuss in Flaschen gefüllt.

In den verschlossenen Fässern im Keller gärte und reifte der Most heran. Zur Abstimmung von Alkoholgehalt und Geschmack wurde Wasser zugesetzt. Der Geschmack des Mostes wird von der Qualität und Zusammensetzung des Obstes, der Sauberkeit bei der Arbeit und dem Gespür des Herstellers bestimmt. Wenn die richtige Gärung gelang, wurde aus übrig gebliebenem Most später auch ein guter Mostessig für die Küche.

Der Schnaps

Wenn auch die Mostherstellung heute kaum mehr Bedeutung hat, ist das Schnapsbrennen in vielen noch aktiven Bauernhöfen erhalten geblieben. Das Obst für das Schnapsbrennen wird in Maischefässern zum Gären gebracht. Es dauert meist bis zum Winter bis die Maische der richtige Alkoholgehalt erreicht ist. Die kalte Jahreszeit ist auch Schnapsbrennzeit. Das Brennen muss beim Zollamt für eine genau bestimmte Zeit angemeldet werden, in dieser wird dann Tag und Nacht ohne Unterbrechung die ganze Maische in einem Stück verarbeitet. Beim mit Holz beheizten Brennofen ist diese lange Arbeitszeit leichter auszuhalten. Die stichprobenweise Schnapsverkostung kann noch zusätzlich erwärmen. Auch Freunde helfen angeblich nicht ungerne aus um die Zeit zu verkürzen. Der Kupferkessel mit gewöhnlich etwa 100 Liter Volumen ist von einem Wasserbad umgeben um ein Anbrennen der Maische zu vermeiden. Ein Brennvorgang ergibt etwa drei Liter Obstler oder an die fünf Liter Zwetschkenschnaps.

Das Destillieren von Alkohol wird schon seit dem Mittelalter von der Obrigkeit geregelt. Einerseits um den Missbrauch in Grenzen zu halten und andererseits als ergiebige Quelle für Steuereinnahmen. Manche verbriefte Rechte zum Schnapsbrennen auf Bauernhöfen reichen in die Zeit Maria Theresias im 18. Jahrhundert zurück. Mengen und Steuern unterliegen strengen Regeln, Kontrollen und Strafen. Sogenannte bäuerliche Abfindungsbrenner dürfen bis zu 200 Liter – manche sogar bis 400 Liter - Schnaps brennen, 15 Liter davon sind steuerfrei. Je nach Anzahl der Hausbewohner kann der Hausbrand bis 27 Liter steigen. Für den Rest gelten begünstigte Steuersätze. Die Steuer wird nicht von der Menge des erzeugten Schnapses sondern von der Menge der Maische berechnet und ist vor dem Brennen fällig. Abfindungsbrenner dürfen nur eigenes Obst verwenden, kein Obst zukaufen und nur an private Konsumenten und Wirtshäuser verkaufen. Mit dem starken Tourismus im Attergau kann das bäuerliche Schnapsbrennen auch zu einem kleinen Nebeneinkommen beitragen.

Üblicherweise wird auf den Bauernhöfen Schnaps aus Birnen und Äpfeln zusammen und extra aus Zwetschken gebrannt. Es gibt den Obstler und den meist zum Genuss bevorzugten Zwetschkernen. Gewöhnlich werden wegen des höheren Zuckergehalts die reiferen Früchte für den Schnaps verwendet. Ist das Obst überreif und teilweise schon angefault, leidet die Qualität erheblich. Die Bekömmlichkeit als Genussmittel ist von der Erfahrung und Sorgfalt des Schnapsbrenners sowie der Abstimmung auf einen verträglichen Alkoholgehalt abhängig.

Seit jeher kommt auf einem Bauernhof dem selbstgebrannten Schnaps eine vielseitige Anwendung zu. Vom zumeist sparsamen Genuss in der Hausgemeinschaft, unter Freunden, zu freudigen aber auch betrüblichen Ereignissen, gegen manche Beschwerden vom Zahnweh, schlechtem Magen bis zum Schutz gegen Krankheitserreger. Auch zum Ansetzen von Nußschnaps wird er gebraucht. Ebenso zum Herstellen mancher Arzneien, wie Arnika für Wunden und zum Einreiben bei Verstauchungen und vieles mehr. Nicht nur für die Menschen sondern auch für die Tiere am Hof ist Schnaps ein gebräuchliches Hausmittel. Für die äußerliche Anwendung, zur Desinfektion und Reinigung von Gegenständen eignet sich auch der gifthaltige Vorlauf, der am Beginn der Destillation anfällt. Die körperlichen und geistigen Wirkungen sind ebenso vielfältig wie die mit dem Schnaps verbunden Meinungen, Mythen, Erwartungen und Befürchtungen. Jedenfalls ein unentbehrliches, hochgeschätztes Elixier des bäuerlichen Lebens und weit darüber hinaus. Nicht selten wurden die großen gläsernen Schnapsblutzer sicherheitshalber unter dem Bett des Bauern aufbewahrt.


Auf den Wiesen

Ein üblicher Bauernhof in Nußdorf hatte etwa zwanzig Stück Rindvieh, zwei Pferde und zehn Schweine zu versorgen, die von Frühjahr bis Herbst mit Gras und im Winter mit Heu und Grummet gefüttert wurden. Die Pferde bekamen noch Haferschrot dazu und die Schweine gedämpfte Erdäpfel und Küchenabfälle, Schrot und warmem Wasser, dem sogenannten „Sautraung“. Zeitweise wurden zerschnitzelte Futterrüben (Runkel) dazu gemischt. Um das Heu im Frühsommer und das Grummet (Groamat) im Spätsommer als Wintervorrat auf den Heuboden zu bringen war mühsame Handarbeit erforderlich.

Um im Herbst nach der Ernte des Grummets vor dem Wintereinbruch das letzte Gras zu nützen, das noch auf den Wiesen wuchs, wurden die Kühe auf die Weiden getrieben. Stiere und zu lebhaftes Jungvieh mussten daheim im Stall bleiben. Geleitet von den Stalldienstboten trotteten die Kühe im Gänsemarsch durch das Dorf auf die Wiesen hinaus und am Abend zum Melken wieder heim. Elektrische oder sonstige Zäune gab es nicht und so musste das Vieh gehütet werden damit es auf den eigenen Wiesen blieb und sich nicht mit den Tieren der anderen Bauern vermischte. Das war bevorzugte Aufgabe der Kinder nach der Schule. Sie konnten leichtfüßig jedem Tier nachlaufen und es mit einem dünnen Haselnussstock wieder zur Ordnung bringen. Diese „Kinderarbeit“ war begehrter als in der Schule zu sitzen. Es wurden Lagerfeuer gemacht, Kartoffel gebraten, Indianer gespielt und allerlei Späße getrieben. Wer je dabei war, denkt mit Wehmut an diese Zeit zurück.

Auf den Feldern

Bei der Getreideernte, dem Droadmahn, war die Arbeit meist so verteilt, dass die Männer mit der Sense das Korn mähten, die Frauen banden die Garben zusammen und die Kinder mussten beim Kornmandl aufstellen die Garben aufrecht halten. Nach einigen Wochen und schönem Wetter wurden die Getreidegarben heim auf den Troadboden gebracht, wo sie bis zum Dreschen lagerten. Auf die abgeernteten Felder wurde Jauche und Mist ausgebracht (geadelt und mistgfiad), der Mist ausgebreitet (mistbroat), gepflügt (umgfahrn) und geeggt (brott). Im nächsten Frühjahr war wieder Zeit zum sähen. Neben Weizen, Roggen (Korn), Hafer, Gerste wurden auch Kartoffeln (Erdäpfel), Kraut und Futterrüben (Runkeln) angebaut. Für die Schulkinder rochen die umgefahrenen Felder nach Schulanfang.

Dreschen

Die Druschtage im Herbst waren eine Herausforderung für jeden Hof. Das Dreschen war nicht nur eine sehr staubige, sondern auch eine lustige Arbeit, bei der alle im Dorf zusammenhalfen. Der Antrieb der großen Dreschmaschine erfolgte mit einer Dampfmaschine über einen langen Lederriemen. Die Maschinen wurden mit Pferden von Hof zu Hof gezogen. Die jungen Mädchen waren stets Ziel von Späßen der Burschen. Alle Leute wurden verköstigt und am Abend wurde in der Stube musiziert, getanzt und gespielt. Der „Maschintanz“ wurde zur Tradition.

Wald- und Holzarbeit

Der Wald war die Sparkasse der Bauern. In der Zeit des Wiederaufbaues nach dem 2. Weltkrieg war Holz sehr gefragt und erzielte in den sogenannten Wirtschaftswunderjahren gute Preise. Das erleichterte den Bauern die teuren Anschaffungen für landwirtschaftliche Maschinen und die Finanzierung touristischer Einrichtungen. Die Wald- und Holzarbeit und das Holzfuhrwerk waren besonders bei Windwurfereignissen sehr gefahrvoll. Die Holzknechtmarterl für verunglückte Waldarbeiter in den Nußdorfer Wäldern geben Zeugnis davon. Die wiedererrichtete Schindelbaumstube, eine alte Holzknecht Sölln in der früher die Forstarbeiter kochten und übernachteten, ist zu einem lohnenden Wanderziel geworden.

Der Auszug

Altbauer mit Enkerl
Altbäurin im Sonntagsgewand
Bauersfamilie mit Jung und Alt
Die Bauernfamilie am Lexenhof 1879

Mit der Heirat des Hoferben zogen die Altbäuerin und der Altbauer in die Auszugwohnung oder in das Auszughäusl, das zumeist im Anschluss zum Hof lag. Im Übergabsvertrag wurde genau geregelt, was die jungen Hoferben im Gegenzug den Übergebern zu ihrem Lebensunterhalt zu leisten hatten. Dazu gehörten in der Regel, ein freies Wohnrecht auf Lebenszeit, die Alters- und Krankenpflege, die Versorgung mit Nahrung, Kleidung und Heizung sowie ein Taschengeld. Oft wurde auch ein Nutzungsrecht für ein Waldstück ausbedungen. Auch der Verkauf von Grundstücken wurden an die Einwilligung der Übergeber gebunden.

Die Abgeltung der Ansprüche der weichenden Erben, die Geschwister des Hoferben bzw. der Hoferbin, wurde entweder noch von den Übergebern oder auch von den Übernehmern geleistet. Zumeist übernahm das junge Ehepaar gemeinsam zu gleichen Teilen den Hof. Eine stattliche Mitgift des eingeheirateten Partners erleichterte die Hofübernahme.

Ein Beispiel für übliche Punkte eines Auszuges:

1. Freie Wohnung in einer Stube mit einem Kellerraum;

2. Mitbenützung von Küche, Bodenraum, Stall und Holzlagerraum;

3. Mitbenützung von Brunnen, Backofen und Abort;

4. Freien Umgang auf dem ganzen Grundstück auf dem Hof und im Garten;

5. Folgende Naturalien:

• täglich: 1 Liter frische Milch;

• wöchentlich: 1 Kilogramm Butter und 8 Eier, letztere jedoch nur in der Zeit vom 1. März bis 30. September jeden Jahres;

• monatlich: 1 Kilogramm Kaffeebohnen und 1 Packung Kaffeeschrot, 1 Liter Petroleum, 25 Kilogramm Roggenmehl;

• jährlich: 250 Kilogramm gute Eßkartoffel, 10 Kilogramm Salz, 1 Schwein im Lebendgewicht von 200 Kilogramm, ferner vier Enten zu je 2,5 Kilogramm, im Oktober oder November lieferbar;

6. Die Hälfte des Ertrags an Bienenhonig und ¼ der Obsternte aus dem Garten;

7. Taschengeld im Wert von 10 Kilogamm Brot monatlich, im Voraus zahlbar;

8. An Brennmaterial 8 Raummeter ofengerechtes Buchenholz;

9. Nutzung von 5 Quadratmetern Garten, das vom Übernehmer umzugraben und zu düngen ist;

10. an Bekleidungsstücken und Wäsche:

• jährlich: zwei Männer- und zwei Frauenhemden;

• alle drei Jahre: je ein Paar Schuhe und ein Kleid für die Altsitzerin oder Stoff dazu;

• alle fünf Jahre: einen Anzug für den Altsitzer oder Stoff dazu, sowie komplette Bettwäsche für zwei Betten;

11. freie Wäsche oder Lieferung von Waschmitteln, solange die Altsitzer die Wäsche selbst besorgen;

12. freie Arzt- und Kurkosten und Pflege in Krankheitsfällen;

13. freie Kirchfuhren, monatlich einmal;

14. freies standesgemäßes Begräbnis


In der Regel arbeiten die Bauersleute im Auszug so gut und so lange sie konnten auf dem Bauernhof mit. Jede Hand wurde gebraucht. Die Alten besorgten die leichteren Hausarbeiten, die Aufsicht über die Enkelkinder und den Hof während die Jungen in den Ställen, auf den Wiesen, Feldern und im Wald arbeiteten. Eine gedeihliche Zusammenarbeit funktionierte allerdings nur dort, wo sich Jung und Alt gut verstanden und gegenseitig unterstützten. In vielen Bauernhöfen war das aber nicht der Fall. Eingeheiratete Partner waren den Schwiegereltern oft nicht sehr verbunden. Andererseits konnten es die Jungen mit neuen Ansichten den Alten oft nicht recht machen. Es wurde kritisiert und gestritten. So war es nicht verwunderlich, dass die alten Bauern oft aus Angst vor einer Abhängigkeit den Hof lange nicht übergeben haben. „Übergeben - nimmer leben“, war ein gängiges Sprichwort.

Für die Dienstboten auf den Höfen wurde schon früher in eine Rentenversicherung eingezahlt. In Nußdorf konnten die Bauern jeden Sonntag vormittags nach der Kirchenzeit im Frank Kaufgeschäft die Sozialversicherungsbeiträge für ihre Dienstboten einzahlen. So war es nicht selten, dass es den Dienstboten in der Rente besser ging als den Bauern im Ausgedinge.

Erst am 18. Dezember 1957 wurde das Landwirtschaftliche Zuschussrenten-Versicherungsgesetz beschlossen, das erstmals eine Geldleistung für die Bauern, zusätzlich zum Ausgedinge brachte. Trotz der bekannten Problematik gab es in der Bauernschaft zuvor erhebliche Widerstände. Die Angst vor dem staatlichen Einfluss am Hof war jedoch ein Jahr nach der Einführung kein Thema mehr. Die staatliche Rente war vor allem für jene vielen kleinen Betriebe wichtig, die nur ein Natural-Ausgedinge und keine Geldleistung erbringen konnten. Im Jahr 1992 wurde auch die Bäuerinnen-Pensionsversicherung eingeführt, womit auch die Bäuerinnen nicht mehr vom Geld ihrer Ehemänner abhängig waren.

Die Integration der Bauernschaft in das Sozialsystem brachte mehr Selbständigkeit für beide Generationen und trug damit zu einem besseren familiären Klima auf dem Bauernhof bei. Die Übergeber konnten auf manche Sachleistung verzichten und auch finanziell manchen Beitrag für die Kinder und Enkelkinder leisten.

Arbeitsleben der Handwerker

Neben den Bauernhöfen war das Handwerk, das oft gemeinsam mit kleinen Bauernsacherln betrieben wurde, ein wesentlicher Teil der Dorfgemeinschaft. Hier wurde hergestellt, was die Leute zum Leben brauchten. Die Müller, Bäcker, Schuster, Schneider, Tischler, Bau- und Zimmerleute, Lederer, Schmiede, Wagner, Säger, Köhler, Sattler, Schindelmacher und andere waren wichtige Handwerker. Die Kaufleute im Ort verkauften, was im Dorf selbst nicht hergestellt und oft über Bahn und Schiff herangeschafft wurde. Im Tagebuch des Michl Wiesinger 1830 - 1895 wird neben dem bäuerlichen auch das handwerkliche Leben in Nußdorf anschaulich beschrieben. Der Roman "Der Trafikant" von Robert Seethaler beginnt auch in einem Fischerhäuschen in Nußdorf.

Brauchtum - Vereine - Geselligkeit

Das Brauchtum hatte auch in Nußdorf viele Erscheinungsformen, auf die im AtterWiki mit eigenen Artikeln eingegangen wird, wie Brauchtum im Jahreskreis, Bräuche beim Hausbau, Fronleichnamsfest, Heiliges Grab, Segenszeichen der Bauern, Totenbräuche, Hochzeitsbräuche im Attergau. Die religiösen Feste werden traditionell mit großer Anteilnahme der Bevölkerung begangen. Die Pfarrkirche Nußdorf, die Musikkapelle Nußdorf, das Nußdorfer Dilettanten-Theater ab 1902, der Nußdorfer Turnverein 1926-38, die Nußdorfer Feuerwehren sowie der Nußdorfer Militärveteranenverein ab 1879 sind in eigenen Artikeln beschrieben.

Nußdorf kann auf eine lange Tradition der evangelischen Glaubensgemeinschaft zurückblicken. In der evangelischen Schule in Zell wurden von 1789 bis 1925 die meisten evangelischen Kinder des Attersee- und Attergaugebietes unterrichtet.

Gesellige Treffpunkte waren die Gasthäuser in Nußdorf, Parschallen und Stockwinkel und die Kegelbahn beim Bräu. Im Winter wurden Eisbahnen zum Stockschießen hergerichtet. Der Fasching war Anlass für Bälle und Umzüge. Ebenso das Maibaumsetzen alljährlich am Vorabend des 1. Mai.

Ein gelegentlicher Anlass zum Feiern war auch das Rafenstehlen anlässlich des Dachstuhlsetzens beim Hausbau. Um den Dachstuhl fertig machen zu können, brauchte der Bauherr auch den letzten Sparren (Rafen). Er wurde ihm meist von den Nachbarn gestohlen und ins nächste Wirtshaus gebracht, wo ihn der Bauherr gegen „Trinkbares“ auslösen musste. Mädchen, die über den Weg liefen, wurden mit dem Kittel an den Rafen genagelt.

Der erste Kindergarten begann in der Bauernstube des Niedermayrhofes und übersiedelte dann in das Haus der Kindergartentante Berta Baumgartinger (Kralowetzhaus) in einen Raum neben der Schusterwerkstätte ihres Vaters, von den Kindern Onkel Bumm genannt.

In den 1950er Jahren kam auch das Schifahren in Mode. Das Pfarrer Salettl, heute das Ziel des Wildholzweges war der Schihang der Nußdorfer Jugend in den 1950er Jahren. Auch eine Sprungschanze wurde gebaut auf der Sprünge von über 30 Meter möglich waren.

Das Lager

Etwas vom vielzitierten „Geist der Lagerstraße“ war auch in Nußdorf spürbar. Das Lager war eine Barackensiedlung, die in der Zeit von 1938 bis 1950 unterhalb des Wieserbauern-Hofes stand. Errichtet wurde sie für den Bau der Reichsautobahn, die ursprünglich entlang der Westseite des Attersees geplant war. Die Arbeiten begannen 1939 und wurden kriegsbedingt und wegen geologischer Probleme eingestellt. In der Folge diente das Lager für den Reichs-Arbeits-Dienst und als HJ-Lager zur Wehrertüchtigung. Während des zweiten Weltkrieges wurden Kriegsgefangene untergebracht. Bis 1950 diente es als Flüchtlingslager, in dem etwa 500 Heimatvertriebene lebten. Heute erinnert nichts mehr an dieses bewegende Stück Nußdorfer Zeitgeschichte.

In den Artikeln Nußdorf im 1. Weltkrieg und Nußdorf im 2. Weltkrieg wird versucht anhand alter Fotografien die Zeit um die beiden Weltkriege darzustellen. Der Artikel Nußdorf - Notquartier und Aufbruch schildert einen ungewöhnlichen Aspekt des Nußdorfer Fremdenverkehrs als die Ferienwohnungen und das Lager als Notquartiere dienen mussten.

Kommunale Projekte

Vom Ausbau des Nußdorfer Baches 1927, in der wirtschaftlich schwierigen Zeit nach dem 1. Weltkrieg und vom späteren Bau der öffentlichen Wasserversorgung ab den 1960er Jahren sind Fotografien erhalten geblieben.

Ein Projekt von bisher nicht gekannter Dimension war die zentrale Abwasserentsorgung. Dazu wurde von 12 Gemeinden der Reinhalteverband Attersee gegründet. Obmann und Nußdorfer Bürgermeister Anton Wiesinger lenkte maßgeblich dessen Entwicklung. Der Bau begann mit der Errichtung eines transportablen Extruders für die Herstellung endloser Kunststoffrohre auf dem Nußdorfer Badeplatz. Die norwegische Firma Gränges produzierte und verlegte hier in der Zeit vom März 1975 bis Juni 1976 Kunststoffrohre mit einer Länge von 28.000 Metern. Die Rohrdurchmesser betrugen 16 bis 63 cm, die größte Verlegetiefe im See liegt bei 145 Metern. 40 Pumpwerke transportieren die Abwässer zur Kläranlage in Lenzing. Dieses Projekt war international beispielgebend für ähnliche Projekte an anderen Seen.

Die Post - das Tor zur Welt

Das Postamt in Nußdorf wurde 1894 eröffnet und 2010 geschlossen. In den 116 Jahren seines Bestehens haben sich fundamentale Veränderungen vollzogen. War zu Beginn das Postamt gleichsam das informative Tor zur Welt, wurde sie von den Möglichkeiten der elektronischen Datenverarbeitung im 21. Jahrhundert vom Markt verdrängt.

Transport – Verkehr – Motorisierung

Wenige Errungenschaften haben das Leben der Menschen mehr verändert als die Motorisierung. Mit der Entwicklung vom Pferdefuhrwerk, zum Schiff, Motorrad, Automobil, Eisenbahn, bis zum Flugzeug wurde der erreichbare Horizont immer weiter. Nußdorfer kamen in die Welt hinaus, die Welt kam nach Nußdorf. Fremde Länder und Menschen wurden vertrauter.

Fußnoten

Quellen

  • Walter Großpointner, Nußdorf - Heimatgeschichtliche Sammlung
  • Sammlung Aichinger, Nußdorf
  • Sammlung Gebetsberger, Nußdorf
  • Manfred Hemetsberger, Nußdorf