Zimmerei

Aus Atterwiki
Zimmerleute beim Abbund 1951

Der bekannteste Zimmermann ist vermutlich der heilige Josef. Im wald- und holzreichen Attergau reicht das Handwerk des Zimmerers noch viel weiter zurück.

Die Artikel Holz, Holzverarbeitung, Tischlerei, Forstwirtschaft, Holzfuhrwerk, Flößerei und Sägewerk beschreiben Wissensgebiete, die mit der Zimmerei in Zusammenhang stehen.

Entwicklung

Pfahlbaumuseum Unteruhldingen am Bodensee

Anhand wissenschaftlicher Untersuchungen von Pfahlbauresten (2000/2001) lässt sich das Bauen mit Holz im Attergau bis etwa 3770 v.Chr. zurückverfolgen. Eine vollständig erhaltene Tannenholztreppe in Hallstatt wird mit einer durchgehenden reinen Fichtenchronologie (Vergleich der Jahresringe verschiedener Funde) genau auf das Jahr 1344 v. Chr. datiert. [1]Alle Bäume für die Treppe wurden im selben Jahr gefällt.

Tannenholz-Stiege in Hallstatt aus dem Jahr 1344 vor Christus ist unversehrt erhalten

Des Messers Schneide

Das erste Werkzeug um Holz in eine brauchbare Form zu bringen waren Feuersteinabschläge.[2] Diese standen den Steinzeitsiedlern im Attergau in ausreichender Menge zur Verfügung, liegt doch am nahen Mondsee eines der größten Feuersteinvorkommen Europas. Nach Erkenntnissen aus den Jahren 2008/2009 lagern hier etwa 60 Millionen Kubikmeter qualitativ hochwertige Hornsteine[3] und Radiolarite[4] auf einer Fläche von 240 Quadratkilometern. Sie wurden bereits in der Mondseekultur[5] von 3800 bis 3300 v. Chr. abgebaut und für steinzeitliche Werkzeuge und Waffen verwendet.

Fundstücke in den nahen Pfahlbausiedlungen des Mondsees und Attersees, aber auch in anderen steinzeitlichen Siedlungsgebieten Mitteleuropas konnten zweifelsfrei der Mondseer Herkunft zugeordnet werden. Im Gegenzug wurden auch einzelne Feuersteine aus bayerischer und norditalienischer Provenienz am Mond- und Attersee nachgewiesen. Sie waren bereits vor 5000 Jahren eine wertvolle und begehrte Handelsware in Europa. Der Feuersteindolch des Steinzeitmannes Ötzi[6], der am Similaun-Gletscher gefunden wurde, stammt eindeutig aus den Monti Lessini am Gardasee.

Wiederentdeckt wurden diese Lagerstätten nach einem starken Windwurfereignis (Sturm „Emma“ vom 29. Februar bis 2. März 2008) am Fuße der Eisenau am Mondsee. Auf einem Schuttkegel wurde ein Großteil des Baumbestandes mitsamt der flachen Verwurzelung umgeworfen und das darunter liegende Felsgeröll freigelegt. Wissenschaftler, darunter der Geoarchäologe Alexander Pinsteiner, vermuten, dass ein gigantischer Bergsturz an dieser Stelle um 3300 v. Chr. die Mondseekultur und mit ihr den Abbaubetrieb schlagartig beendete.

Schneidewerkzeuge für die Bearbeitung von Holz wurden in späterer Folge aus Bronze, Eisen, legierten Stählen und Hartmetall hergestellt. Das Bearbeiten und Zerteilen von Holz mit einer scharfen Schneide ist seit urgeschichtlichen Zeiten bis heute gleich geblieben, geändert hat sich die Geschwindigkeit.

Villa Paulick - Zimmermannsarbeit eines Kunsttischlers

Vom Zimmermann zum Tischler

Aus dem Zimmererhandwerk hat sich später der Beruf des Tischlers herausgebildet und spezialisiert. Ist der Schwerpunkt der Tischlerei der Wohnbereich und die Feinarbeit, so hat für die Zimmerei der konstruktive Holzbau und die Statik die Hauptbedeutung. An der Villa Paulick in Seewalchen ist zu sehen wie ein Kunsttischler Zimmermannsarbeiten schuf.

Arbeitsweisen

Jahrtausende lang wurde das Zimmererhandwerk mit einfachen Handwerkzeugen wie Handsägen, Hacke, Stemmeisen, Reifmesser, Winkel, Zirkel, Maßstab, Lot, Wasserwaage etc. ausgeübt. Das konnte jeder Zimmermann mit sich tragen und sein Arbeitsplatz war die Baustelle.

Holzhäuser die nach mehreren Jahrhunderten noch einwandfrei sind, lassen darauf schließen, dass die alten Zimmerleute über ein hohes Fachwissen verfügten. Denn die Dauerhaftigkeit von Holzbauten hängt nach wie vor mehr mit der richtigen Bauweise und dem richtigen Fällungszeitpunkt der Bäume zusammen als mit der Holzart. Das älteste Holzhaus soll in Japan stehen und über 1400 Jahre alt sein. In Nordengland wurden Reste eines 11.000 Jahre alten Holzhauses gefunden.

Gegen Ende des 20. Jahrhunderts setzten sich automatisierte Arbeitsabläufe durch. Dachstühle und Holzbauteile werden auf dem Bildschirm geplant und in computergesteuerten Anlagen automatisch produziert. Auf der Baustelle werden die Bauteile mit Kränen montiert. Nur mehr kleine Bauvorhaben werden in traditioneller Weise hergestellt, wobei sich auch dabei die Arbeitsweisen, Werkzeuge und Hilfsmittel stark verändert haben. Was früher mit Holznägel verbunden wurde, wird heute verschraubt und maschinell vernagelt. Elektrische und pneumatische Handwerkzeuge erleichtern und beschleunigen die Arbeit.

Holzleimbau und Holzwerkstoffe

Leimbinderhalle - Niedermayrsäge

Nach 1945 hat sich der Holzleimbau stark entwickelt. Bei diesen Brettschichtholz [7] genannten Bauteilen werden Holzbretter gehobelt und keilverzinkt zu endlosen Stangen aneinander geleimt. So werden sie auf eine beliebige Länge abgeschnitten und in mehreren Schichten, in gleicher Faserrichtung mitsammen verleimt. Diese Brettschichtpakete können gerade und gebogene Formen und beliebige Dimensionen haben und ermöglichen große Hallenbauten mit Spannweiten von weit über 100 Metern. Auf diese Weise werden auch Massivholzplatten in großen, flächigen Dimensionen für den Möbelbau und für Wände und Holzverkleidungen hergestellt.

Leimbinderhalle auf der EXPO 2000 Hannover - Foto Wikipedia

Eine Weiterentwicklung ist das Brettsperrholz oder Kreuzlagenholz, das aus mehreren über Kreuz flach aufeinanderliegenden Brettlagen besteht. Dieses eignet sich in dünnen Holzstärken, von etwa 1 bis 4 cm für den Möbelbau, für Betonschalungstafeln und für die unterschiedlichsten Flächenverkleidungen. Dicke Plattendimensionen bis etwa 40 cm und mehr ermöglichen den rationellen Bau von Wänden, Decken und Dächern für verschiedenste Bauwerke. Die Platten werden im Werk passgenau mit Öffnungen und Installationen vorproduziert und an der Baustelle mit Kränen binnen kürzester Zeit montiert.

Eine große Auswahl an industriell hergestellten Holzwerkstoffen [8] wie Span- und Faserplatten, Holzwolle-Leichtbauplatten, Holzfaserdämmplatten, sowie thermoplastische Wood-Plastic-Composite [9] erweitern die Möglichkeiten der Zimmerei noch zusätzlich. Um die Jahrtausendwende wurden wasserfeste Grobspanplatten, auch OSB-Platten genannt , die aus langen, schlanken Spänen hergestellt werden, gebräuchlich. Sie waren ursprünglich ein Abfallprodukt der Furnier- und Sperrholzindustrie in den USA.

Die neuen Möglichkeiten haben das Bauen mit Holz und die Arbeit des Zimmermanns revolutioniert. Er ist vom Handwerker zum Montagetechniker für industriell gefertigte Holzbauteile geworden.

Arbeitsfelder der Zimmerei

Moderne Holzdachrinne vom Zimmermann
Große Fichte im Dexelbacher Plenterwald, links Vater und Sohn Bruckbacher

Der Wasserbau hat am Attersee seit jeher Bedeutung. Die Pfahlbauten und die römischen Wasseranlagen von früher sind Bootshäusern, Badehütten und Steganlagen gewichen. Die bevorzugten Holzarten sind nach wie vor Fichten-, Lärchen- und Tannenholz wie vor 6000 Jahren.

Große Holztragwerke, wie z. B. der Attergauer Aussichtsturm auf dem Lichtenberg oder die Holzbrücke über die Ager in Seewalchen am Attersee bilden eine Herausforderung für die statischen Berechnungen.

Wohnhäuser, Dachstühle und Wirtschaftsgebäude, Wintergärten, Pergolen, Überdachungen, Terrassenböden, Isolierungen, Fassadenverkleidungen, Zäune und Holzkonstruktionen verschiedenster Art gehören zum Arbeitsfeld der modernen Zimmerei.

Die Verlegung von Holzschindeln für Dächer und Fassaden erlebte in den letzten Jahrzehnten eine Renaissance und ist für die Zimmerei ein weiterer Aufgabenbereich. Die Verwendung reicht von denkmalgeschützten Objekten über traditionelle Bauten im Alpenraum bis zu modernen Gebäuden in Verbindung mit Glas und Beton. Die Dauerhaftigkeit kann sich mit anderen Materialien durchaus messen.

Ebenso erfreuen sich Holzdachrinnen wieder steigender Beliebtheit. Sie werden heute überwiegend aus brettschichtverleimten Holzprofilen maschinell gefräst. In alten Zeiten wurden die Rinnen vom Zimmermann mit einem sogenannten Runddexel ausgehackt, einer Handhacke mit einer querliegenden, etwa 7 cm breiten, halbrunden Schneide.

Für Dachrinnen wurden im Wald eigens schlanke, gerade Baumstämme, sogenannte Unterstandl von Tannen, Fichten und Lärchen ausgesucht. In den Zeiten der Flößer am Attersee gelangten diese mit sogenannten Pester-Flößen bis nach Budapest. Unterstandl wachsen in geschlossenen Baumbeständen aus natürlichem Samenanflug inmitten größerer Bäume sehr langsam nach. Sie bekommen nur wenig Sonnenlicht von oben und haben daher nur eine kleine Astkrone an der Spitze und das Stammholz hat nur wenige kleine Äste. Der Holzzuwachs orientiert sich überwiegend nach oben zur Sonne hin und nur wenig in die Baumdicke. Die Jahresringe liegen eng aneinander und machen das Holz sehr dauerhaft und fäulnisresistent.

Solche lange und dünne Bäume wachsen fast nur in sogenannten Plenterwäldern in denen kein Kahlschlag durchgeführt wird, sondern nur einzelne, ausgewählte Bäume entnommen werden. Plenterwälder sind selten geworden, weil sie eine mühevolle und sorgfältige Waldbewirtschaftung über Generationen hindurch erfordern. Ein Beispiel dafür ist im Dexelbacher Wald zu finden. Er gehört zum Moar-Hof der Familie Bruckbacher in Dexelbach, in der Gemeinde Nußdorf am Attersee. In diesem Wald steht auch noch einer der größten Fichtenbäume Oberösterreichs.

Das Unternehmen Beyer-Holzschindeln in Weißenkirchen im Attergau spielt bei Holzschindeln und Holzdachrinnen eine führende Rolle in Österreich.

Beispiele

Architektur mit Holz

Aussergewöhnliche Architektur mit Schindelfassade in Kammerl, Schörfling am Attersee, Arch. DI. Walter Höller
Der Life Cycle Tower - modulares Holz-Hybrid-Hochhaus in Passivhausqualität

Der Architektur mit Holz sind kaum mehr Grenzen gesetzt. Da Holz im Verhältnis zu seinem Eigengewicht eine höhere Festigkeit haben kann als Stahl, sind die vielfältigsten Formen und Ausmaße möglich. Vom traditionellen Holzblockhaus bis zur modernen Architektur kann der Zimmermann alles realisieren, was sich der Bauherr wünscht und die Behörden erlauben.

Der Trend zu ökologischen und nachwachsenden Rohstoffen und die außergewöhnlichen Eigenschaften massiven Holzes versprechen eine große Zukunft. Holz isoliert, speichert und reguliert das Raumklima, die Wärme, die Feuchtigkeit, den Strahlenschutz, es ist CO2-neutral und schafft eine Wohnqualität, die in Summe andere Baustoffe übertrifft. Holzbauten müssen nicht als solche erkennbar sein, sondern können innen und außen mit anderen Oberflächenmaterialien verkleidet werden.

Als Beispiel für die Möglichkeiten, sei das erste modulare Holz-Hybrid-Hochhaus der Welt, der 27 Meter hohe Life Cycle Tower in Dornbirn, vom Bauunternehmen Rhomberg in Bregenz angeführt. Diese Bauart eignet sich für Hochhäuser bis 30 Stockwerke und eine Höhe von 100 Metern.


Bildergalerie

Die Bildergalerie zeigt Beispiele der Zimmerei im Lauf der Geschichte:

Quellen