Michael Kratzer

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Michael Kratzer

Michael Kratzer (1886-1966) war fast ein halbes Jahrhundert Tischler und Bestatter in der Seyrlstraße in Seewalchen.

Vorfahren

Das Seewirtshaus um 1870

Ursprünglich war die Familie Kratzer am Seewirtshaus an der Agerbrücke.

Franz Kratzer (*1821) führte zusammen mit seiner Frau Susanne (geb. Gruber aus Haining) das Seewirtshaus, die Tischlerei und die Bestattung. Er starb in jungen Jahren an einer Leichenvergiftung. Nach seinem Tod übernahm sein Sohn Franz (II, 1854-1940) den Betrieb. Die Mutter Susanne wollte vom See weg, da sie – wie es hieß - den See fürchtete. Dieser stieg damals mangels Verbauungen bis zur Stufe der Haustür.

Nach der Einführung der Gewerbefreiheit konnte die Familie Kratzer das „Hamer-Haus“ in der Seyrlstraße kaufen. Auf dem Haus, das zum Besitz der Familie Gugg (heute Gasthof Stallinger) gehörte, war ein Fleischhacker-Recht. Gugg brachte nun die Fleischhauerei zum Gasthaus, und Franz Kratzer konnte nun in der Seyrlstraße Tischlerei und Bestattung betreiben.

Michael Kratzer

Das Kratzerhaus in der Seyrlstraße um 1920
Michael und Maria Kratzer mit ihrer Tochter Miazl, Theresia und Franz Kratzer.

Einer der Söhne, Michael, lernte das Handwerk bei seinem Vater und ging dann nach Wien zur berühmten Tischlerei Portois & Fix. Kratzer konnte bei einer Tante wohnen. Portois & Fix war ein Großbetrieb, in dem viele Tschechen und Ungarn beschäftigt waren. Die sprachlichen Barrieren waren groß, aber mit den Ungarn kam man schon zurecht, erzählte er später, mit den Tschechen weniger.

Noch vor dem ersten Weltkrieg kam es in Wien zu Streiks. Im Zuge dieses Arbeitskampfes wurde den Leuten vom Land bzw. denen, die zu Hause ein Einkommen hatten, nahegelegt, das Werk zu verlassen. Kratzer ging zurück nach Seewalchen und übernahm in der Folge die väterliche Tischlerei. Er heiratete 1913 Maria Gugg, die erste von 4 Töchtern kam 1914 zur Welt.

Das Gebäude in der Seyrlstraße war in einem sehr desolaten Zustand. Erst nach einer kleinen Erbschaft konnte Michael Kratzer das Haus um 1924 in seiner heutigen Form errichten.

Wie in dieser Zeit üblich, betrieb die Familie daneben eine kleine Landwirtschaft und es wurden auch Fremdenzimmer an Sommerfrischler vermietet. In Erinnerung blieb die Familie Horn. Hofrat Horn aus Wien kam mit seiner Familie über viele Jahre zur Sommerfrische ins Kratzerhaus. In den ersten Jahren nahmen sie auch die eigene Köchin mit. Der Sohn Alfred besuchte die Familie Kratzer auch noch nach dem Krieg. Alfred Horn verfügte über ausgezeichnete Kenntnisse der russischen Sprache und war dann seitens der österreichischen Regierung bei den Staatsvertragsverhandlungen 1955 dabei..

Tischlerwerkzeug des Michael Kratzer

Kratzer war Bestatter. Er fertigte Särge und Grabkreuze selber an und hatte auch die organisatorischen Aufgaben einer Beerdigung über. Neben der Bestattertätigkeit stellte er auch Möbel aller Art her und hatte auch in den Sommervillen verschiedene Aufträge. Seine Tochter Juliane durfte gelegentlich ihren Vater begleiten, kam in dieser Zeit auch in die Villen und lernte dort auch die Besitzer kennen. In sehr guter Erinnerung hat sie Lucille Curzon.

Todesfälle

Bei einem Todesfall kam jemand aus der Familie und gab dem Kratzer Bescheid. Starb jemand aus dem Ort Seewalchen, wurde er gelegentlich auch mitten in der Nacht geholt. Kratzer fuhr dann mit der Bahre zum Totenhaus, die „Leich´“ wurde aufgebahrt und der Bestatter nahm auch gleich Maß, was die Sarggröße betraf.

Seine Tochter erinnert sich: „Stress bedeutete die Herstellung der Parten. Da musste ich auch gelegentlich mit dem Zug oder Fahrrad rasch nach Vöcklabruck zum Heitzendorfer (Anmerkung: Druckerei) fahren, um die Bestellungen zu besorgen. Später - mit dem Telefon – ging es dann wesentlich leichter.“

Die Toten wurden zu Hause aufgebahrt und am Begräbnistag von den Nachbarn zur Kirche getragen. Im Ort selten – in den Dörfern üblich – kam auch der Leichenwagen zum Einsatz . Der Wagen war in einer Hütte hinter der Gemeinde (heute Hauptstraße 1) eingestellt. Den Leichenwagen hatte der jeweilige Knecht vom Leiß zu fahren.

Ende der 1950er Jahre schloss Michael Kratzer seinen Betrieb. Die Bestattung von Seewalchen kam zur Tischlerei Nini nach Schörfling.

Ehrenämter

Michael Kratzer war auch für die Gemeinschaft tätig. Er war Mitglied bei der Feuerwehr und von 1920 bis 1933 ihr Feuerwehr-Hauptmann. In seiner Zeit wurde das erste Depot auf der Stieglerwiese errichtet.
Er hatte auch Funktionen bei den Heimkehrern, in der Wassergenossenschaft und bei der Raiffeisenkasse.

Anekdoten

  • Beim Einmarsch der amerikanischen Truppen wurden in Seewalchen drei Personen erschossen, das hieß natürlich viel Arbeit für den Bestatter. Als dann ein amerikanischer Soldat auch ins Kratzerhaus kam, um sich da umzusehen, führte ihn sein Weg in die Werkstätte. Er ging hinein, sah die vielen Särge, gab einen Laut des Schreckens von sich und nahm sofort Reißaus.
  • Im Juli 1945 waren sehr viele Flüchtlinge im Ort und so mancher war den Strapazen der Flucht nicht gewachsen. Auch ein ehemaliger Gutsbesitzer war in Seewalchen, seine Frau verstarb und wurde hier begraben.
    Der Gutsbesitzer wollte, dass seine Frau den gesamten wertvollen Schmuck ins Grab nimmt. Die Einwände Kratzers wies er mit dem Bemerken zurück, seine Frau solle in Würde begraben werden. Kratzer hatte sich aber dann entschlossen, vor der Schließung des Sarges, der Toten den Schmuck wieder abzunehmen.
    Nach der Beerdigung übergab er die wertvollen Stücke der Familie. Besonders die Kinder waren froh, dass sie in diesen schwierigen Zeiten der Flucht und Armut nun doch ein wenig Besitz hatten.

Rechnung des Michael Kratzer aus dem Jahr 1945

Kratzer-Rechnung.jpg

anlässlich des Begräbnisses von Wilhelm Friedrich Zemikow aus Brandenburg.

Quellen