Bräuche beim Hausbau

Aus Atterwiki
Hausbau um 1922

Wie im Jahresablauf des bäuerlichen Lebens und Geschehens viele Bräuche gang und gäbe sind, ist auch der Bau eines neuen Hauses mit verschiedenen Bräuchen verbunden. Diese alten Bräuche wurden von Oberstudienrat Josef Hufnagl aufgezeichnet.

Das Zwickelsetzen

Schon beim Keller beginnt es. Wird ein neues Haus gebaut, ist erstes, die Fundamente auszuheben und den Keller zu graben. Ist das geschehen, werden die Kellerwände aufgemauert. Zum Schluß wird der Keller mit einem Gewölbe eingedeckt. Bei dieser Gelegenheit ist das sogenannte „Zwickelsetzen“ alter Brauch. Zweck dieses Zwickelsetzens ist, eine kleine Hetz und Gaudi zu inszenieren, um die eintönige Maurerarbeit ein wenig abwechslungsreicher zu gestalten und, was nicht wenig ins Gewicht fällt, eine Kleinigkeit für das leibliche Wohl der beteiligten Maurer und Handwerker herauszuschinden. Es geht ja um den Schlußstein des Ganzen und dieses Ereignis muß gefeiert werden. Der sogenannte Zwickel ist der letzte Ziegelbrocken, den nach altem Brauch der Bauer selbst in das Gewölbe schlagen soll. Der Maurerpolier aber weiß das zu verhindern, indem er den Zwickel durch einen Maurer im Keller mit einer Latte immer wieder herausstoßen oder stoppen läßt. Der ratlose Bauer wendet sich an den Polier um Rat. Der sieht sich die Sache an und spricht dann das gewichtige Wort: „Da muß geschmiert werden, anders geht es nicht !“ Der Bauer stellt sich dumm und fragt noch dümmer: „Was und wer muß geschmiert werden?“ Darauf der Polier: „Der Zwickel geht nicht hinein, also muß er geschmiert werden, und zwar mit Speck und Bier oder was sonst an Schmier im Hause ist!“ Er gibt auch nicht früher nach, als bis endlich der Bauer begreift, daß es um Speck und Rauchfleisch geht und ein Faß Bier auffahren läßt. Darauf dringt der Zwickel ohne weiteres in das Mauerwerk ein, denn es hält ihn kein Maurer mit einer Latte mehr auf.

Einmauern eines Bannspruches

Oft wird beim Bau eines Hauses in den Türstock eine Segensformel oder ein Bannspruch, wie man es deuten will, eingemauert. So muß es wohl auch im Gstöttnerhaus, Hausnummer 2 in Giga, Pfarre Weißenkirchen i.A., gewesen sein. Denn als dieses Haus im Frühjahr 1964 abgerissen wurde, fand man beim Abbrechen des Hausstockes im Holz der Haustüre einen Zettel, auf dem folgendes geschrieben stand:
Vor Unglück und Gefahr im Haus
Sankt Matthäus, Sankt Markus,
Sankt Lukas, Sankt Johannes,
in Haus und Hof bewahr uns
vor Krankheit und Dieberey
item alle Martyr Sancti Benedicti
+ + + Amen. I.N.R.J.
Unser Herr Jesus Christus trat
in den Saal, da fochten ihn die
Juden überall an.
Allso bey Tag müssen diejenigen
so mich mit ihrer bösen Zungen
fälschlich verkleinern wider
mich streiten, durch das Lob
Gottes stillschweigen, versagen
und verschmähet werden.
Gott hilf mir dazu immer
und ewiglich. Amen

Wie man sonst an Häusern an der Vorderfront einen Haussegen oder einen Segensspruch anbringen läßt, zum Schutze des Hauses, so mag man hier eine solche Schutzzauberformel, in der oft Gläubiges und Abergläubisches miteinander vermischt war, im Innern des Hausstockes und in Form eines Zauberzettels untergebracht haben. Sei’s wie immer, die Sache ist nicht uninteressant und vielleicht auch des Erwähnens wert.

Am Bundplatz

Zimmerleute beim Abbund 1951

Die meisten Bräuche aber ranken sich um den Dachstuhl und sein Zustandekommen. Die Rafen (= Dachsparren) und Tramen und Bänder des Dachstuhls werden zuerst mit der Broathacka ( Breithacke = eine zu diesem Zweck verfertigte, breite Hacke) zugehackt. Der Platz, auf dem das geschieht, heißt der Bundplatz. Auf diesem Bundplatz wird zuerst gebetet, dann werden die zugehackten Rafen und Tramen eingestemmt und zusammengepaßt. Man nennt dieses Zusammenpassen der Rafen das Abbinden. Dieses Abbinden ist eine schwierige Sache. Es muß alles zusammenpassen, bevor der Dachstuhl aufgestellt wird. Deshalb wird auch während des Abbindens und Aufstellens des Dachstuhls jeden Abend hindurch gebetet, damit das Werk gelingt und auch beim noch schwierigeren Aufstellen kein Unglück geschieht.

Ist der Dachstuhl eingestemmt und zusammengepaßt, wird er aufgestellt. Jeder Rafen, jeder Tram und jedes Bundholz kommt an seinen richtigen Platz. Auch der letzte Rafen soll an seinen Platz kommen, aber da happert es, der ist nicht hinaufzubringen und weil er nicht hinaufzubringen ist, muß natürlich wieder gehörig geschmiert werden. Zu diesem Zweck wird jeder nächstbeste Vorübergehende angehalten, damit er helfe. Dem auf diese Weise Abgefangenen bleibt nichts anderes übrig, als mitzutun und nachzuhelfen. Da es trotzdem nicht bewerkstelligt wird, bleibt ihm nichts übrig, als den Geldsack aufzutun und entsprechend zu „schmieren“. Je mehr solche Schmiere, das sind Geld und Lebensmittel, zusammenkommt, um so leichter gelangt der letzte Rafen an seinen Platz.

Das meiste Getue aber ist um den First

Der First ist der oberste Balken des Dachstuhls und krönt das Ganze. Kein Wunder, daß sich um diesen letzten Balken, den First, die meisten Bräuche ranken. Es ist etwas Ähnliches, wie bei einer Primiz der Primizbub oder bei einer Hochzeit die Braut. Alle drei werden gestohlen, damit eine Ablöse berappt wird.

Beim Stehlen des Firstes geschieht verschiedener Schabernack. Er wird von den Burschen oder Nachbarn gestohlen, auf einen Schubkarren geladen und durchs Dorf gefahren. Vor jedem Haus wird gehalten, womöglich wird mit dem First bei der Haustür hineingefahren und so lange gebettelt und Schabernack getrieben, bis sich Bauer oder Bäuerin herbeilassen, eine Spende, sei es in Geld oder Naturalien, zu geben. Wird auf diesem Umzuge ein fesches Dirndl erwischt, wird es gefangen genommen, an den Kleidern an den First genagelt und im Triumph durch das Dorf gefahren, zum Gaudium aller, das Dirndl ausgenommen, dem nicht allzuwohl ist auf dieser Sitz – und Fahrgelegenheit, aber es nützt nichts, es muß sich fügen, bis es sich durch ein gehöriges Lösegeld losgekauft hat. Ein solches Dinrdl ist dann meistens geheilt für alle Zeiten und läßt sich ein zweites Mal nicht wieder erwischen. Der Abschluß des Aufzuges ist die Aufzehrung des Lösegeldes, was nicht immer geräuschlos und ohne Unfug vor sich geht, und bis tief in die Nacht hinein dauert.

Soll am nächsten Morgen der First aufgezogen werden und an seinen Platz kommen, muß der Bauer sich bemühen, ihn zu suchen und das Lösegeld nicht zu sparen. Auch beim Aufziehen des Firstes muß der Bauer mithelfen und wenn das nicht möglich ist, seinen Geldbeutel auftun. Endlich, nach gehöriger Schmiere allseits, sitzt der First auf der Höhe des Daches und krönt das Ganze, Haus und Dachstuhl. Er umfaßt gleichsam von dieser Stätte aus alle Bewohner des neuen Hauses und nimmt sie unter seine Obhut und ist damit zum Symbol der Vollendung geworden. Sitzt der First an seinem Platz, ist das Haus fix und fertig und bedarf keiner weiteren Zutaten mehr. So ist es denn auch einigermaßen verständlich, daß mit dem Aufzug des Firstes und seiner Krönung die Feierlichkeiten und Bräuche, die sonst mit einem Hausbau verbunden sind, ihren Anschluß finden.

SATOR, AREPO, TENET, OPERA, ROTAS. Diese magischen Feuerabwehrsprüche, auf Papier geschrieben, waren auf einem Dachbalken des Brandstattbauernhauses, Brandstatt Nr. 2, KG Weißenkirchen i.A., aufgeklebt. Beim Abbruch des Hauses 1968 wurden sie entdeckt. Im Gebälk fand man dieses Erbauerzeichen: I S P 1797 G R

Quellen

  • Veröffentlicht in der Zeitschrift „Die Heimat“ 1964 und im „St. Adalbero Kalender“ 1967
  • Aus „Josef Hufnagl, Erzählungen, Geschichten, Erlebnisse und Gedichte“ von Johann Dopler, Weißenkirchen i.A., Eigenvervielfältigung
  • Heimatkundliche Sammlung, Konsulent Herbert Saminger, Weißenkirchen i.A.