Bäuerliches Ausgedinge

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Als Bäuerliches Ausgedinge bezeichnet die Altersversorgung der Übergeber eines Bauernhofes.

Der Auszug

Der Generationenvertrag war auf Bauernhöfen über Jahrhunderte hinweg die Grundlage des familiären Zusammenlebens. Man brauchte und versorgte sich gegenseitig von der Wiege bis zur Bahre. So gehörten die bäuerlichen Familien auch zu den letzten Bevölkerungsgruppen, die in das öffentliche Sozialversicherungssystem einbezogen wurden. Seither können Bauernhöfe mit deutlich reduzierten Leistungen für die Altersversorgung der Übergeber von Generation zu Generation weitergegeben werden.

Altbauer mit Enkerl
Altbäurin im Sonntagsgewand
Bauersfamilie mit Jung und Alt
Die Bauernfamilie am Lexenhof 1879

Mit der Heirat des Hoferben zogen die Altbäuerin und der Altbauer in die Auszugwohnung oder in das Auszughäusl, das zumeist im Anschluss zum Hof lag. Im Übergabsvertrag wurde genau geregelt, was die jungen Hoferben im Gegenzug den Übergebern zu ihrem Lebensunterhalt zu leisten hatten. Dazu gehörten in der Regel, ein freies Wohnrecht auf Lebenszeit, die Alters- und Krankenpflege, die Versorgung mit Nahrung, Kleidung und Heizung sowie ein Taschengeld. Oft wurde auch ein Nutzungsrecht für ein Waldstück ausbedungen. Auch der Verkauf von Grundstücken wurde an die Einwilligung der Übergeber gebunden.

Die Abgeltung der Ansprüche der weichenden Erben, die Geschwister des Hoferben bzw. der Hoferbin, wurde entweder noch von den Übergebern oder auch von den Übernehmern geleistet. Zumeist übernahm das junge Ehepaar gemeinsam zu gleichen Teilen den Hof. Eine Mitgift des eingeheirateten Partners erleichterte die Hofübernahme.

Ein Beispiel für übliche Punkte eines Auszuges:

1. Freie Wohnung in einer Stube mit einem Kellerraum;

2. Mitbenützung von Küche, Bodenraum, Stall und Holzlagerraum;

3. Mitbenützung von Brunnen, Backofen und Abort;

4. Freien Umgang auf dem ganzen Grundstück auf dem Hof und im Garten;

5. Folgende Naturalien:

• täglich: 1 Liter frische Milch;

• wöchentlich: 1 Kilogramm Butter und 8 Eier, letztere jedoch nur in der Zeit vom 1. März bis 30. September jeden Jahres;

• monatlich: 1 Kilogramm Kaffeebohnen und 1 Packung Kaffeeschrot, 1 Liter Petroleum, 25 Kilogramm Roggenmehl;

• jährlich: 250 Kilogramm gute Eßkartoffel, 10 Kilogramm Salz, 1 Schwein im Lebendgewicht von 200 Kilogramm, ferner vier Enten zu je 2,5 Kilogramm, im Oktober oder November lieferbar;

6. Die Hälfte des Ertrags an Bienenhonig und ¼ der Obsternte aus dem Garten;

7. Taschengeld im Wert von 10 Kilogamm Brot monatlich, im Voraus zahlbar;

8. An Brennmaterial 8 Raummeter ofengerechtes Buchenholz;

9. Nutzung von 5 Quadratmetern Garten, das vom Übernehmer umzugraben und zu düngen ist;

10. an Bekleidungsstücken und Wäsche:

• jährlich: zwei Männer- und zwei Frauenhemden;

• alle drei Jahre: je ein Paar Schuhe und ein Kleid für die Altsitzerin oder Stoff dazu;

• alle fünf Jahre: einen Anzug für den Altsitzer oder Stoff dazu, sowie komplette Bettwäsche für zwei Betten;

11. freie Wäsche oder Lieferung von Waschmitteln, solange die Altsitzer die Wäsche selbst besorgen;

12. freie Arzt- und Kurkosten und Pflege in Krankheitsfällen;

13. freie Kirchfuhren, monatlich einmal;

14. freies standesgemäßes Begräbnis


In der Regel arbeiteten die Bauersleute im Auszug so gut und so lange sie konnten auf dem Bauernhof mit. Jede Hand wurde gebraucht. Die Alten besorgten die leichteren Hausarbeiten, die Aufsicht über die Enkelkinder und den Hof während die Jungen in den Ställen, auf den Wiesen, Feldern und im Wald arbeiteten. Eine gedeihliche Zusammenarbeit funktionierte allerdings nur dort, wo sich Jung und Alt gut verstanden und gegenseitig unterstützten. In vielen Bauernhöfen war das aber nicht der Fall. Eingeheiratete Partner waren den Schwiegereltern oft nicht sehr verbunden. Andererseits konnten es oft die Jungen mit neuen Ansichten den Alten nicht recht machen. Es wurde kritisiert und gestritten. So war es nicht verwunderlich, dass die alten Bauern oft aus Angst vor einer Abhängigkeit und Hilflosigkeit den Hof lange nicht übergeben wollten. „Übergeben - nimmer leben“, war ein gängiges Sprichwort.

Für die Dienstboten auf den Höfen wurde schon früher in eine Rentenversicherung eingezahlt. In Nußdorf, zum Beispiel, konnten die Bauern jeden Sonntag vormittags nach der Kirchenzeit im Frank Kaufgeschäft die Sozialversicherungsbeiträge für ihre Dienstboten einzahlen. So war es nicht selten, dass es den Dienstboten in der Rente besser ging als den Bauern im Ausgedinge.

Erst am 18. Dezember 1957 wurde das Landwirtschaftliche Zuschussrenten-Versicherungsgesetz beschlossen, das erstmals eine Geldleistung für die Bauern, zusätzlich zum Ausgedinge brachte. Trotz der bekannten Problematik gab es in der Bauernschaft zuvor erhebliche Widerstände. Die Angst vor zu hohen Kosten und dem staatlichen Einfluss am Hof war jedoch kurz nach der Einführung kein Thema mehr. Die staatliche Rente war vor allem auch für jene vielen kleinen Betriebe wichtig, die nur ein Natural-Ausgedinge und keine Geldleistung erbringen konnten. Im Jahr 1992 wurde auch die Bäuerinnen-Pensionsversicherung eingeführt, womit auch die Bäuerinnen nicht mehr vom Geld ihrer Ehemänner abhängig waren.

Die Integration der Bauernschaft in das öffentliche Sozialversicherungssystem brachte mehr Selbständigkeit für alle am Hof lebenden Generationen und trug damit zu einem besseren familiären Zusammenleben auf den Bauernhöfen bei. Die Übergeber konnten auf Sachleistungen verzichten und darüber hinaus auch manchen finanziellen Beitrag für die junge Familie und deren Nachkommen leisten.

Quellen

  • Walter Großpointner, Nußdorf - Heimatgeschichtliche Sammlung
  • Manfred Hemetsberger, Nußdorf am Attersee